Dieses Protokoll beschreibt ein Kryoverletzungsmodell, um eine tiefgreifende Schädigung mehrerer kaudaler Myomere in erwachsenen Zebrafischen zu induzieren. Diese Methode bietet einen neuen Ansatz zur Untersuchung der Skelettmuskelregeneration nach starkem Gewebeverlust bei Nicht-Säugetier-Wirbeltieren.
Die Skelettmuskulatur wird nach kleineren Verletzungen durch die Aktivierung satellitenähnlicher Stammzellen erneuert und wiederhergestellt. Schwere Verletzungen der Muskulatur führen beim Menschen häufig zu einer Fibrose. Im Vergleich zu Säugetieren besitzen Zebrafische eine höhere angeborene Fähigkeit zur Organregeneration, was ein leistungsfähiges Modell für die Untersuchung der Gewebewiederherstellung nach einer ausgedehnten Schädigung des Organs darstellt. In dieser Arbeit wird ein Kryoverletzungsmodell beschrieben, das bei erwachsenen Zebrafischen eine tiefgreifende Schädigung von vier Myomeren des Schwanzstiels induziert. Eine speziell angefertigte Kryosonde wurde entwickelt, um sich der Körperform anzupassen und die seitliche Muskulatur von der Haut bis zur Mittellinie reproduzierbar zu verletzen. Wichtig ist, dass die Unversehrtheit des Körpers intakt blieb und die Fische ihre Schwimmaktivität fortsetzten. Veränderungen der Skelettmuskulatur wurden durch histologische Färbung und Fluoreszenzfärbung von Sarkomerproteinen auf Gewebeschnitten beurteilt. Diese Methode wird neue Wege der Forschung eröffnen, die darauf abzielen, zu verstehen, wie die Degeneration der Skelettmuskulatur reparative Reaktionen und damit die Reaktivierung des myogenen Programms im erwachsenen Zebrafisch induziert.
Bei Wirbeltieren werden geschädigte Teile verschiedener Gewebe im Laufe des Lebens homöostatisch erneuert und wiederhergestellt. Diese Fähigkeit zur Erneuerung und Wiederherstellung hängt typischerweise vom Vorhandensein kompetenter Stammzellen oder von der Proliferationsfähigkeit der reifen Zellen ab 1,2. Die Skelettmuskulatur besteht aus postmitotischen Myofasern, die mit lokalen Stammzellen, den Satellitenzellen 3,4,5,6, assoziiert sind. So enthält dieses Gewebe zelluläre Quellen für die effiziente Versiegelung von Bereichen mit unterbrochener Kontinuität oder für die Reparatur kleinerer Wunden. Auf größere volumetrische Verluste in der Skelettmuskulatur von Säugetieren folgt jedoch häufig eine nicht-regenerative Reparatur, wie z. B. Fibrose7. Tiermodelle könnten neue Einblicke in die biologischen Mechanismen liefern, die die Regeneration großflächig geschädigter Organe begünstigen.
Der Zebrafisch ist ein etablierter Modellorganismus mit hoher Regenerationsfähigkeit. Erwachsene Zebrafische können einen amputierten Teil ihrer Schwanzflosse oder die resezierte Spitze des Herzventrikels regenerieren 8,9,10,11. Darüber hinaus wurde bereits eine Kryoverletzungsmethode angewendet, um die Flossen- und Herzregeneration bei Zebrafischen zu untersuchen12,13,14,15. Bei inneren Organen hat die Kryoverletzungsmethode den Vorteil, dass sie den Zelltod induziert, ohne die Organintegrität zu stören, und so physiologische Bedingungen nachahmt16,17. Gewebetrümmer werden während der Wundheilung durch natürliche Räumung abgebaut, gefolgt von den Reparaturprozessen. Ob diese Methode jedoch auf die Skelettmuskulatur angewendet werden kann, muss noch geklärt werden.
Bei Fischen ermöglicht die seitliche Muskulatur die seitliche Beugung des Rüssels während des Schwimmens18. Die Skelettmuskulatur ist in metameren Einheiten, den sogenannten Myomeren, organisiert, die durch Bindegewebe getrennt sind 5,19. Zebrafische können ihren Muskel nach kleineren Gewebestörungen, wie sie durch Laserablation oder eine Stichwunde verursacht werden, regenerieren 20,21,22,23,24, aber ob sich ganze Myomere nach einer ausgedehnten Verletzung regenerieren können, ist unbekannt. Diese Wissenslücke ist wahrscheinlich auf das Fehlen eines geeigneten Verletzungsmodells zurückzuführen. Dieses Protokoll etabliert einen neuen Ansatz, um eine ausgedehnte Verletzung des Skelettmuskels zu induzieren, die sich über mehrere Myomere erstreckt. Die beschriebene Kryoverletzungsmethode basiert auf dem schnellen Einfrieren und Auftauen der Myofasern mit einem vorgekühlten Edelstahlinstrument. Trotz der umfangreichen Schäden wurde das Wohlbefinden der Fische nicht stark beeinträchtigt. Ganze Myomere konnten wiederhergestellt werden, so dass diese Arbeit ein neues Modellsystem zur Untersuchung der Mechanismen der Muskelregeneration im adulten Zebrafisch darstellt.
Der Zebrafisch ist ein Anamnioten-Wirbeltier-Modellorganismus, um die Mechanismen der Muskelregeneration zu untersuchen. Die meisten der existierenden Verletzungsmethoden, wie z. B. Laserablation oder Stichverletzungen, führen zu einer relativ geringen Gewebezerstörung20,21,22,23. Größere Resektionen wurden am extraokularen Muskel26 durchgeführt. Für die seitliche Muskulatur wäre dieser chirurgische Ansatz jedoch aufgrund der gesundheitlichen Gefahren durch das Durchtrennen der Körperwand wahrscheinlich weniger geeignet. Um solche invasiven Eingriffe zu vermeiden, beschreibt dieses Protokoll eine mildere Form der Verletzung, die jedoch zu einer tiefgreifenden Schädigung des Schwanzstiels führt. Dieser Ansatz beruht auf einer oberflächlichen Manipulation, die eine sehr präzise Ausrichtung auf einige Myomere auf einer Körperseite ermöglicht. Die Stärken des Kryoverletzungsmodells liegen in seiner Reproduzierbarkeit und seiner Fähigkeit, eine ausgedehnte Muskeldegeneration hervorzurufen; Basierend auf diesen Stärken bietet dieses Modell einen neuen Weg, um zu untersuchen, wie der Körper auf einen signifikanten Muskelabbau reagiert.
Die Anwendung extremer Kälte führt zu einem Temperaturschock, der die Plasmamembran und die Organellen im betroffenen Muskelgewebezerstört 27. Infolgedessen erleiden die verletzten Myofasern einen “zufälligen” Zelltod28. Folglich kann das geschädigte Gewebe durch natürliche Mechanismen der Wundbeseitigung resorbiert werden. Zebrafische vertragen das Kryoverletzungsverfahren gut, da die Überlebensrate in dieser Studie bei fast 100 % lag, wenn die vorgekühlte Sonde für die exakte Dauer korrekt am Körper positioniert war. Wenn die Wunde jedoch zu groß ist (z. B. wenn zu viel Druck ausgeübt wird oder die Dauer der Kryoverletzung zu lang ist), kann der Fisch kurz nach dem Eingriff abweichende Schwimmbewegungen zeigen, und das Tier sollte als humaner Endpunkt eingeschläfert werden. Bei anderen Fischarten sollte die Einwirkzeit auf der Kryosonde entsprechend der Körpergröße angepasst werden.
Nach einer Kryoverletzung können die Fische ihre Schwimmaktivität wieder aufnehmen, ohne dass Symptome einer abnormalen Bewegung auftreten. Kryoverletzte Fische schwimmen jedoch weniger dynamisch als Kontrollfische, was auf leichte Beeinträchtigungen hinweist. Eine weitere Quantifizierung des Verhaltens der Fische zu verschiedenen Zeitpunkten nach Kryoverletzung wird notwendig sein, um zeitliche Veränderungen in der Schwimmleistung zu bestimmen.
Die Wirkung der Kryoverletzungsmethode auf andere nicht-muskuläre Gewebe des kaudalen Stiels muss noch geklärt werden. Offensichtlich wird die äußerste Körperschicht (d.h. die Haut) durch den Eingriff geschädigt. In diesem Zusammenhang kann die Kryoverletzungsmethode eine neue Strategie zur Untersuchung der Wundheilung, der Schuppenregeneration und der Wiederherstellung des Pigmentierungsmusters bieten. Darüber hinaus könnten auch das Gefäßsystem und die Innervation der Myomere durch Kryoverletzungen beeinträchtigt werden, und diese Themen bedürfen weiterer Untersuchungen.
Das Kryoverletzungsmodell wurde bereits zur Untersuchung der Herzregeneration von Zebrafischen verwendet13,14,15,29. Diese Methode zeigte einige Vorteile gegenüber der ventrikulären Resektionsmethode10 aufgrund der vorübergehenden Ablagerung einer kollagenreichen Narbe, die die Infarktheilungsreaktion beim Menschen besser nachahmt30. Bemerkenswert ist, dass Zebrafische ihr Herz nach mehreren Kryoverletzungen regenerieren können31. Interessanterweise wurde die Kryoverletzung auch an der Zebrafischflosse angewendet, was zu histolytischen Prozessen führte12. Im Gegensatz zur klassischen Flossenamputation enthält der verbleibende kryoverletzte Stumpf einen verzerrten Rand mit einer Mischung aus totem Material und gesunden Zellen. Untersuchungen mit beiden Zebrafischorganen, dem Herzen und der Flosse, haben gezeigt, dass Zebrafische auch nach umfangreichen Gewebeschäden in der Lage sind, ihre ursprünglichen Funktionsbestandteile wiederherzustellen. Ob der kryoverletzte Skelettmuskel ein Wechselspiel zwischen reparativen und regenerativen Prozessen aktiviert, bedarf zukünftiger Studien.
The authors have nothing to disclose.
Wir danken V. Zimmermann für die Fischpflege sowie Dr. Thomas Bise, Dr. Catherine Pfefferli und Lea Gigon für die Initiierung dieses Projekts und ihre vorläufigen Ergebnisse. Diese Arbeit wurde vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützt, Förderkennzeichen 310030_208170.
Program | |||
ImageJ | National Institutes of Health (NIH) | ||
Photoshop Version 23.5.3 | Adobe | ||
Material/ Equipment | |||
35/10 mm Petri Dish | Greiner Bio-one | Item No.: 627102 | |
Camera | Sony | / | HDR-PJ410 |
Cryostat | Histcom | HRA C50 | |
Formaldehyde ~36% | Sigma-Aldrich | 47630 | |
Macro 50 mm f/2.8 EX DG lens | Sigma | / | Discontinued lense |
Peel-A-Way Embedding Truncated Molds T8 | Polyscience, Inc. | 18985 | |
Slides Superfrost Plus | Fisher Scientific | 12-550-15 | |
Sponge | any | any | flat sponge, c.a. 7cm x 3 cm x 1 cm |
Stainless steel cryoprobe | Custom-made | / | specifics in the article |
Sucrose | Sigma-Aldrich | 84100 | |
Surgical scissors | Any | / | |
TCS SP2 | Leica | / | Discontinoued product |
Tissue-Tek O.C.T. compound | Sakura Finetek | 4583 | |
Tricaine (Anestethic) | Sigma | E10521 | |
Dyes and Antibodies | |||
Dapi | Sigma | 10236276001 | Concentration: 1/2000 |
Phalloidin-Atto-565 (F-actin) | Sigma | 94072 | Concentration: 1 / 500 |
Tropomyosin (TPM1) | DHSB | CH1 | Concentration: 1 / 50 |
Recipies/Solutions | |||
1x PBS | 123 mM NaCl | Sigma | |
2.7 mM KCl | Sigma | ||
10 mM Na2HPO4 | Sigma | ||
1.8 mM KH2PO4 | Sigma | ||
AFOG solution | 3 g Fuchsin | Fisher Scientific | |
2 g Orange G | Sigma | ||
1 g Anilin blue | Fulka AG | ||
200 ml acifidied distilled H2O (pH 1.1) |